Linerless – Material, Einsatzgebiete, Komponenten und was zu beachten ist
von Redaktion Etiketten-Labels,
Die Verwendung von Linerless-Etiketten hat in den vergangenen Jahren Fahrt aufgenommen und die Anwendungsvielfalt sowie das Wachstumspotential für diese Etiketten ist riesig. Artimelt mit Sitz in Sursee (CH), bietet als Hersteller hochwertiger Schmelzklebstoffe verschiedene Lösungen für diese Anwendung. Wolfgang Aufmuth* erläutert die Hintergründe.
Etiketten sind in unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Etiketten werden als Werbe- und Informationsträger eingesetzt. Wir nehmen sie bewusst oder auch häufig unbewusst wahr. Die Mehrzahl der auf dem Markt verfügbaren selbstklebenden Etiketten wird aus klassischem Haftlaminat hergestellt. Dabei wird zunächst ein spezielles Papier oder eine Kunststofffolie mit einer dünnen Schicht Silikon versehen.
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Auf dieses Material, dem sogenannten Release Liner wird anschliessend der Klebstoff aufgebracht und dann sofort das Etikettenmaterial hinzu kaschiert. Das Etikettenmaterial besteht dabei ebenfalls aus Papier oder Kunststofffolie. Als Papiere kommen ungestrichene oder gestrichene Papiere zum Einsatz oder auch funktionale Papiere, wie z. B. Thermopapiere.
Die so hergestellten bis zu 2 m breiten Großrollen werden anschliessend in schmalere Rollen geschnitten und auf den Druck- und Stanzmaschinen weiterverarbeitet. Dabei wird häufig ein Mehrfarbdruck aufgebracht, das Etikett inline gestanzt, das Stanzgitter abgezogen und die Rolle nochmals in schmalere Einzelrollen geschnitten. Das fertige Etikett kann anschliessend mit Hilfe einer Spende-Anlage maschinell mit hoher Geschwindigkeit oder manuell vom Release Liner abgezogen und auf das zu etikettierende Gut appliziert werden.
Nachteil Materialausschuss
Der Release Liner hat nun seinen Zweck als Träger des Etiketts erfüllt und wird nicht mehr benötigt. Er kann entsorgt oder mit Hilfe spezieller Verfahren rezykliert werden. Der Vorteil der im klassischen Verfahren hergestellten Etiketten liegt in der Formatvielfalt der Etiketten und der heute erzielbaren hohen Produktionsgeschwindigkeiten, angefangen beim Haftlaminat, welches mit 1000 m/min. oder noch höheren Geschwindigkeiten hergestellt werden kann.
Einen grossen Nachteil stellt allerdings der nicht verwertbare Materialausschuss dar. Da wäre zunächst das Stanzgitter, welches bei der Etikettenherstellung anfällt und in der Regel entsorgt wird. Und zum anderen das Trägermaterial, der Release Liner. In Gänze betrachtet ergibt sich somit ein nicht oder nur sehr aufwändig aufzuarbeitender Abfall-Anteil von 50% oder mehr. Die Lösung wären also Etiketten, die nicht gestanzt werden müssten und ohne Träger auskommen. Neben den vielen Tonnen von Abfall können so auch Materialkosten eingespart werden.
Solch eine Lösung ist bereits seit Jahren für Nischenanwendungen existent und hat einen ganz praktischen Hintergrund. Vor vielen Jahren wurde Wurst oder Käse, welche an der Frischetheke gekauft wurde, in Kunststoffbeuteln verpackt. An den Beuteln wurde der Beleg mittels Heftklammer befestigt. Nachdem diese Art des Beutelverschlusses nicht mehr erlaubt war, wurde nach Alternativen gesucht. Als Lösung wurde eine Technologie, welche bereits in den 80er Jahren zur Etikettierung von Bohnendosen in England entwickelt wurde, optimiert und eingesetzt. Diese Lösung erlaubte es nun, Etiketten unterschiedlicher Länge am Point of Sale zum Verschluss der Beutel und zum Informationsaufdruck einzusetzen.
Aufdruck mittels Thermotechnik
Nimmt man es ganz genau, so handelt es sich um keine Etikettenlösung, sondern eher um eine Klebeband-Lösung. Das Produkt ist wie ein Klebeband aufgebaut. Ein Träger ist auf der Oberseite silikonisiert und auf der Rückseite mit Klebstoff beschichtet. Durch diese Konstruktion kann auf den Release Liner verzichtet werden. Während beim Klebeband der Träger häufig aus Kunststoff besteht, so ist es hier meist ein Papier.
Da auf das Papier am Point-of-Sale eine variable Information aufgedruckt werden muss und sich die Silikonoberfläche auf dem Träger nicht bedrucken lässt, muss hier ein Thermopapier eingesetzt werden. Der Informationsaufdruck erfolgt dann mittels klassischem Thermodirekt-Druck. Ist die Information aufgedruckt kann das „Thermopapierband“ über eine meist gezackte Kante abgerissen und aufgeklebt werden. Da es sich durch die aufgedruckte variable Information quasi um ein Etikett handelt, welches aber ohne Silikonpapier-Träger (Liner) auskommt, hat sich der Ausdruck Linerless Material oder Linerless-Label etabliert.
Vorteile von Linerless-Material
Neben der erwähnten Materialeinsparung haben diese Art von Etiketten noch weitere Vorteile:
50-60% mehr Etiketten pro Rolle
Weniger Lagerplatz für die gleiche Anzahl Etiketten
Weniger Rollenwechsel
Variable Etikettenlänge und flexibles Druckformat
Kein Stanzgitter-Abfall
Kein Release-Liner Abfall
Kein Lagerplatz für Release-Liner Abfall
Keine Transport- und Entsorgungskosten für den Release Liner und Stanzgitter-Abfall
Welche Komponenten benötigt man für die Herstellung eines Linerless Materials:
Zunächst benötigt man ein geeignetes Thermopapier. Das Thermopapier muss so beschaffen sein, dass eine gute Verankerung des Klebstoffes auf der Rückseite ermöglicht wird. Gleichzeitig muss es so dicht sein, dass möglichst keine Bestandteile des Klebstoffs durch das Papier in die Thermoschicht dringen und die aufgedruckte Information unlesbar machen. Die Oberfläche muss so beschaffen sein, dass eine gute Verankerung des Silikons gegeben ist, ohne dass das Silikon in die Oberfläche wegschlägt und die Trennwirkung nicht mehr gegeben ist. Diese Anforderungen werden in der Regel von Papieren mit Topcoat und Backbarrier sehr gut erfüllt.
Die verwendeten Silikone sind in der Regel UV-vernetzend. Wichtig dabei ist die richtige Viskosität. Bei zu niederviskosen Systemen kann das Silikon in die Oberfläche des Papiers eindringen und nicht mehr ausreichend vernetzt werden. Dieses Risiko ist insbesondere bei Papieren mit offenporiger Struktur und ohne Topcoating erhöht.
Faktor Klebstoff
Ein weiterer entscheidender Faktor ist die Auswahl des richtigen Klebstoffs. Wässrige Systeme dringen in die Papierstruktur ein und müssen wieder getrocknet werden. Beim Trocknen wellt sich das Papier und macht die Etikettenrolle unbrauchbar. Dispersionsklebstoffe scheiden daher aus.
Für lösemittelbasierte Klebstoffe gilt dasselbe. Somit bleiben die 100%-Systeme Hotmelt und strahlenhärtende Hotmelts. Klassische Hotmelts sind einfacher zu applizieren: aufschmelzen, beschichten, aufwickeln, fertig. Auch bei Hotmelts gilt es, das richtige Produkt zu selektieren, denn der Klebstoff muss nicht nur eine sondern gleich mehrere Funktionen erfüllen:
Er muss sich von der Silikonschicht ablösen lassen
Er darf die Walzen des Etiketten-Drucksystems nicht verschmutzen
Er darf die Etiketten-Schneideinrichtung nicht verschmutzen
Er muss für eine sichere Haftung des Etiketts auf dem zu etikettierenden Gut sorgen
Hergestellt werden diese Linerless-Rollen auf speziell dafür konstruierten Anlagen, wie z. B. von Maan Engineering. Die Anlage verfügt über eine Corona Station zur Erhöhung der Oberflächenspannung des Thermopapieres, welches eine bessere Silikon-Verankerung mit sich bringt, ein Silikon-Auftragswerk mit Stickstoff-Inertisierung und UV-Vernetzungseinheit sowie einer Rollstabdüse für den Klebstoffauftrag. Gleich nach der Beschichtung kann die in einer Maximalbreite von 530 mm beschichtete Mutterrolle mit Hilfe einer In-Line Schneideinrichtung in die finale Rollenbreite und -länge gebracht werden.
Die artimelt Klebstoffe L1 945 für Raumtemperatur-Anwendungen und artimelt L3 913 für Semi-Tiefkühl-Applikationen wurden von Maan Engineering auf dieser Anlage verarbeitet. Beide Klebstoffe liessen sich mit einem Auftragsgewicht von 15 – 18 g/m2 sehr gut beschichten. Eine grössere Herausforderung stellt die Beschichtung mit geringerem Auftragsgewicht dar. Oft kommt es dabei zu einem Abreißen des Klebstoffflusses und es zeigt sich keine geschlossene Klebstoffschicht. Beide artimelt-Klebstoffe lassen sich auf der Maan-Anlage auch mit 12 g/m2 in hoher Qualität und mit geschlossener Klebstoffschicht applizieren.
Faktor Rollenverhalten
Somit eignen sich beide artimelt-Produkte zur Herstellung von Linerless-Rollen. Wie bereits erwähnt, ist es aber von noch grösserer und entscheidender Bedeutung, wie sich die Rollen im Druck und Schneideprozess verhalten. Neben dem manuellen Abreißen der bedruckten Etiketten über eine gezackte Abrisskante erlangt der maschinelle Schneid- und Etikettiervorgang eine immer grössere Bedeutung.
Um Stillstandszeiten zu minimieren, darf also das Linerless-Material weder die im Drucker integrierten Walzen noch das Schneidemesser kontaminieren. Ansonsten kommt es zum Verkleben des Linerless-Materials im Drucker oder zum Anhaften an der Schneide. Daher sind die Druckerwalzen aus speziellen Klebstoff-abweisenden Materialien gefertigt. Bei den Schneidemessern kommen teilweise Systeme zum Einsatz, welche durch das regelmässige Aufbringen von Silikon- oder speziellen Ölen ein Anhaften des Klebstoffs am Messer verhindern.
Für Anwendungen beispielsweise in der Logistik sind solche Systeme durchaus eine Lösung. Ist die Anwendung allerdings im Lebensmittelbereich angesiedelt, so ist die Verwendung von Silikon- oder öligen Substanzen deutlich kritischer zu sehen oder aber gänzlich auszuschliessen.
Hierzu braucht es dann einen Klebstoff, der eben die Schneidemesser kaum verschmutzt. Dass artimelt L1 945 und artimelt L3 913 solche Klebstoffe sind, wurde durch die Firma GeBE Elektronik und Feinwerktechnik in aufwendigen Versuchen nachgewiesen. Auf dem GeBE-Prüfstand wurden Linerless-Rollen mit artimelt L1 945, artimelt L3 913 und anderen Klebstoffen mehrere Wochen lang geprüft. Mit artimelt L1 945 konnten mehr als 500.000 Etiketten ohne Unterbrechung gedruckt und geschnitten werden.
Laut Klaus Baldig, Entwicklungsleiter bei GeBE, stellt artimelt L1 945 somit die Benchmark für Linerless-Klebstoffe auf dem Markt dar. Sowohl artimelt L1 945 als auch artimelt L3 913 sind für Linerless-Anwendungen auf GeBE-Systemen qualifiziert und freigegeben. Die Einsatzbereiche für Linerless-Etiketten sind in den vergangenen Jahren immer größer geworden.
Bereits heute werden laut einer Studie der AWA bereits 4% des weltweiten Selbstklebeetiketten-Markts mit Linerless-Etiketten abgedeckt. In absoluten Zahlen ausgedrückt entspricht dies ca. 930 Mio. m2 Selbstklebematerial[3].
Was mit einfachen Verschlusssystemen für Wurst- und Käse-Kunststoffbeutel an der Frischetheke begonnen hat, hält nun auch Einzug in weitere Felder der Lebensmittelindustrie. So z. B. hat die britische Firma Ravenwood Etiketten entwickelt, die als Wrap-around-Labels für Lebensmittel-Hartschalen, sog. Food Trays, verwendet werden. Damit die Etiketten in entsprechender Qualität hergestellt werden können, wurde auch gleich eine komplette Anlage zur Herstellung dieser Etiketten mit entwickelt.
Anwendungspotentiale für Linerless-Etiketten
Erste Ansätze gibt es auch mit transparentem Folienmaterial, das im Vorfeld farbig bedruckt wird. Die so erstellten Etiketten können im Kosmetik und Getränkebereich eingesetzt werden. Das grösste Anwendungspotential ist allerdings in der Logistikbranche zu sehen. Durch den in den vergangenen Jahren stark gewachsenen und noch immer im Wachstum befindlichen Online-Handel ist der Anteil an transportierten Paketsendungen stark gestiegen.
Alle diese Pakete werden mit der Empfängeranschrift, die in der Regel auf einem selbstklebenden Etikett aufgedruckt ist, versehen. Heute werden dafür klassische Etiketten mit all den bestehenden Vor- und Nachteilen verwendet. Würde hier ein Wechsel zu Linerless-Etiketten erfolgen, könnten so extrem grosse Mengen an Release-Liner-Abfall eingespart werden. Dies entlastet nicht nur die Umwelt sondern könnte auch zu Einsparungen bei den Online-Händlern führen, da sie keinen Release-Liner Abfall lagern, transportieren und entsorgen müssten.
Fazit
Zusammenfassend lässt sich festhalten: Linerless-Etiketten stellen heute eine kostengünstige und umweltfreundliche Alternative zu klassischen Etiketten dar. Das Einsatzgebiet ist momentan noch eingeschränkt aber für Etiketten mit kurzfristigem informativem Charakter, wie z.B. Logistiketiketten völlig ausreichend.
Bei der Auswahl der einzelnen Komponenten müssen sehr hochwertige Komponenten selektiert werden, da es ansonsten zu unliebsamen Überraschungen während des Druck- und Schneideprozesses kommen kann. Das Wachstumspotential ist immens. Wer heute in diese Technologie investiert ist für die Zukunft sehr gut gerüstet. [5236]
*Wolfgang Aufmuth ist Product Manager für Label, Tape, Packaging und Security Klebstoffe bei der artimelt AG, einem in Privatbesitz befindlichen mittelständischen Klebstoffhersteller in der Schweiz. Der Dipl.-Ing (FH) für chemische Technik studierte an der Fachhochschule für Technik in Mannheim und der weissrussischen Universität in Minsk. Er ist seit 20 Jahren mit dem Label Business verbunden, zunächst als Zulieferer für die Haftlaminatindustrie, anschliessend acht Jahre bei einem namhaften deutschen Haftlaminathersteller. In 2009 folgte der Wechsel in die Klebstoffbranche zur damaligen Collano Adhesives AG in die Schweiz, wo er als Technology Manager Hotmelt das komplette Schmelzklebstoff-Portfolio verantwortete. Seit 2016 ist er bei der neu gegründeten artimelt AG, Hersteller von Hotmelt Specialties. In seiner heutigen Funktion verantwortet er sämtliche Schmelzklebstoffe für den Label, Tape, Packaging und Security Bereich, berät Kunden weltweit zu Hotmelt Anwendungen und hält Vorträge zu den unterschiedlichsten Klebstoffthemen auf verschiedensten Fachveranstaltungen.