Ökologie & Nachhaltigkeit

Decarbonisierung – was sind die ersten Schritte für kleine Unternehmen?

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Quelle: Shutterstock(Photo Credit: Copyright (c) 2021 NicoElNino/Shutterstock. No use without permission.)

Das Thema Carbon Footprint gut anzugehen ist sehr anspruchsvoll und umfangreiche Aus- und Weiterbildung sind nötig, um die Werkzeuge zur Analyse von Emissionen sinnvoll zu nutzen. Und natürlich, das Ganze ist keine akademische Übung, denn man will kein Zahlenwerk zum Selbstzweck erstellen, sondern den Fußabdruck reduzieren – d.h.: weniger CO2 produzieren, für Emissionen verantwortlich sein und dadurch Kosten sparen aber auch den eigenen Kunden kommunizieren, dass „man was tut“, also Verantwortung zeigen. Von Dr. Michael Has.*

Die Reaktionen der Leser auf unsere Artikelserie zu den Möglichkeiten und Notwendigkeiten der Betriebe, den aktuellen Forderungen zu Ökologie und Nachhaltigkeit nachzukommen, waren positiv – aber eine Frage kam immer wieder, insbesondere von Kleinbetrieben, die die Branche ja dominieren: was kann ich als Inhaber eines kleineren Betriebes tun, was sollten meine ersten Schritte sein? Gibt es Abkürzungen und wo liegen die Grenzen einer solchen vereinfachten Herangehensweise?

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„Je mehr vereinfacht wird, desto größer wird der Fehler in Aussagen und damit in der Zielgenauigkeit der Maßnahmen.“
Dr. Michael Has

Um das vorauszuschicken: Vereinfachungen gehen mit Ungenauigkeit einher – je mehr vereinfacht wird, desto größer wird der Fehler in Aussagen und damit in der Zielgenauigkeit der Maßnahmen. Damit steigt auch das Risiko etwas später Unhaltbares zuzusagen. Auf der anderen Seite: wenn man überfordert ist und keinen Einstieg findet, ist eine vorsichtige Annäherung besser als keine – ein Argument, dass nur am Anfang zählt. Was nicht erlaubt ist, ist Stillstand nach einem solchen „ersten Schuss“ – doch dazu später mehr.

Wir gehen von folgendem Szenario aus: Der Kunde fragt nach was denn der mit dem Produkt einhergehende CO2-Fußabdruck ist und welche Strategie man verfolgt, um den zu reduzieren. Der Kunde will das wissen, weil er wiederum seinen eigenen Fußabdruck reduzieren muss und der wahrscheinlich größte Teil der Emissionen, die mit der Produktion von dinglichen Produkten einhergehen, aus der Lieferkette von Zulieferern von Zwischenprodukten und Energie kommen.

Die richtige Zusammensetzung der Rohmaterialien kann ebenfalls eine nachhaltige Produktion unterstützen (Quelle: Shutterstock)
Die richtige Zusammensetzung der Rohmaterialien kann ebenfalls eine nachhaltige Produktion unterstützen (Quelle: Shutterstock) (Bild: Copyright (c) 2017 H_Ko/Shutterstock. No use without permission.)

Aktiv sein

Wahrscheinlich spielt das Label eine untergeordnete Rolle in der Gesamtbilanz des Kunden – dennoch: alles, was die Druckerei reduziert, kann der Kunde in seinen Reduktionsplan mit aufnehmen. Auch der Kunde will in seinem Berichtswesen sagen können, dass er aktiv ist auf dem Gebiet.

Wir haben in den vergangenen Artikeln gesehen, dass genau genommen

  • ein Life Cycle Assessment für den Standort nötig ist, um die allgemeinen Emissionen am Standort zu bestimmen (im Sinne von „Gemeinemissionen“)
    und
  • zusätzlich eine auf die einzelne Produktionscharakteristik eines Labels bezogene Berechnung des Fußabdrucks.

Wenn die gesamte pro Jahr produzierte Menge von Labels bekannt ist kann der entsprechende Anteil der „Gemeinemissionen“ anteilig umgelegt und zu den auf das einzelne Produkt gezählt werden was dann den produktbezogenen CO2-Fußabdruck ergibt.

Ansatz zur Bestimmung

Der genaueste Ansatz zur Bestimmung von CO2-Fußabdrücken ist in den ISO-Normen 14040-44 standardisiert. Dieser nutzt einen definierten Fragenkatalog, um strukturiert alle Treibhausgasemissionen in der eigenen Produktionsstätte, den Zulieferketten und bei den erwarteten Nutzern abzufragen. Das hört sich einfach an, ist im Detail aber sehr komplex – auch weil es voraussetzt, dass alle Beteiligten ihre charakterisierenden Werte auch kennen. Das ist häufig nicht der Fall.

„Wer Benzin zum Betreiben eines Fahrzeugs nutzt und dessen Fußabdruck berechnen will, misst in der Regel nicht die Effizienz der Umsetzung seines eigenen Fahrzeugs, sondern greift auf Datenbanken zurück.“
Dr. Michael Has

Um dies mit einem Beispiel zu illustrieren: wer Benzin zum Betreiben eines Fahrzeugs nutzt und dessen Fußabdruck berechnen will, misst in der Regel nicht die Effizienz der Umsetzung seines eigenen Fahrzeugs, sondern greift auf Datenbanken zurück. Tatsächlich unterscheiden sich Fahrzeuge aber je nach Alter, Einstellungen, Wartung… Die Datenbankwerte, sogenannte Konversionsfaktoren, sind also hoffentlich nah an der Realität – können aber das einzelne Fahrzeug nicht exakt abbilden. Das gleiche gilt z.B. für Druckfarbe: selbst wenn der gleiche Farbtyp für die gleiche Primärfarbe in zwei Werken mit der gleichen Rezeptur hergestellt wird, sind die Emissionen nicht die gleichen, weil die lokale Infrastruktur, die Transportwege, der jeweilige Energielieferant mit dessen Charakteristika und so weiter sich unterscheiden. Man kann sich entscheiden, das zu akzeptieren, trotzdem die Annäherung zu treffen die gleichen Emissionen anzunehmen – nimmt aber dafür einen gewissen Fehler in Kauf. Wie groß dieser Fehler genau ist, muss abgeschätzt werden, bleibt aber letztlich unbekannt.

Wenn, im nächsten Vereinfachungsschritt, ausschließlich Durchschnittswerte herangezogen werden würde der Fehler noch deutlich größer, die Berechnung aber einfacher – für den Preis, dass alles, was den speziellen Betrieb charakterisiert nicht berücksichtigt wird und die Einsparungsmaßnahmen, um die es eigentlich geht, ungenauer wirken werden. Auf der anderen Seite schärft es den Blick wohin man schauen und Konsum von Materialien und Energie reduzieren könnte.

Unsicherheit bei Schätzungen

In der Literatur findet man eine vergleichbare Herangehensweise unter dem Suchbegriff Economic Input-Output Lifecycle Assessment (EIOLCA) – also Ökonomische Input-Output-Bilanz über den gesamten Lebenszyklus. Diese Methode ist NICHT standardisiert. In der EIOLCA-Dokumentation wird eingeräumt, dass die Schätzungen der durch das genutzte Modell beschriebenen Energiebedarfe mit einem unbekannten Maß an Unsicherheit behaftet sind. In der Literatur gibt es diesbezügliche Datenbanken mit charakterisierenden Werten.

Um ein Beispiel zu geben: Wenn Früchte in zwei Regionen der Welt produziert werden, unterscheiden sie sich wahrscheinlich hinsichtlich des Einsatzes von künstlicher Bewässerung oder Dünger, manueller Arbeit und Maschineneinsatz und anderen Faktoren. Wenn aber aus der einen Region CO2-Fußabdrücke bekannt sind und aus der anderen nicht, ist es naheliegend, dass zur ersten Annäherung die Werte aus der anderen Region angesetzt werden – mit der Einschränkung, dass ein durchaus großer Fehler von 30-50% angenommen wird.

„Wenn man größere Fehler akzeptiert, sind erste Angaben über die Zusammensetzung des Fußabdrucks auch ohne große Analysen möglich, aber eben sehr ungenau.“
Dr. Michael Has

Wenn man einen solchen Ansatz nimmt und auf die Druckindustrie annimmt, wird also auch der Fehler absehbar groß sein, aber ein erster Einstieg ermöglicht. Die Herangehensweise könnte also die folgende sein:

Der FINAT gibt für die Beiträge zum CO2-Fußabdruck die folgenden relativen Größen an (https://www.finat.com/documents/128/finat-lca-folder-guidance-document.pdf):

  • Rohmaterialien 43 %
  • Druckprozess 22 %
  • Drucken  14 %
  • Druckfarben  8 %
  • Herstellung der Labels 18 %
  • An- und Abtransport 17 %
  • End of Life/Verwurf 0 %

Diese Angaben sind, was einen bestimmten Betrieb oder eine Wertschöpfungskette für ein bestimmtes Druckprodukt betrifft, aufgrund der betriebsspezifischen Charakteristika mit Sicherheit mit einem Fehler im zweistelligen Prozentbereich behaftet. Zum Beispiel ist der Beitrag der Ink hier eine Konstante – was sicher nicht zutrifft, denn der Beitrag der Ink zum gesamten Fußabdruck muss mit den Flächendeckungen variieren.

Die Zusammensetzung zählt

Die Angaben geben aber meist realitätsnahe relative Größenordnungen wieder: die Rohmaterialien haben als Einzelfaktor den größten Beitrag gefolgt vom Druckprozess – zusammengesetzt aus Drucken und Druckfarbe – und Finishing/Applikation sowie vom An-/Abtransport. Aus anderen Studien ist bekannt, dass sich der Fußabdruck des Druckprozesses wiederum aus dem Energieverbrauch der Druckerei, den genutzten Verbrauchsmaterialien, Abfall, Platten, Wasserverbrauch, dem Maschinenpark und der Infrastruktur zusammensetzt. Die genauen Prozentangaben für diese Angaben wurden vom FINAT für den Fall der Etikettenproduktion nicht veröffentlicht, lassen sich aber aus anderen Publikationen auch für andere Druckprozesse grob abschätzen.

Mit anderen Worten: Wenn man größere Fehler akzeptiert, sind erste Angaben über die Zusammensetzung des Fußabdrucks auch ohne große Analysen möglich, aber eben sehr ungenau.

Maßnahmen einleiten

Basierend auf solchen ersten Abschätzungen ist es auch möglich die ersten Schritte Maßnahmen zu Einsparungen einzuleiten – auch wenn diese noch zu wenig zielgerichtet sind:

Information und Dokumentation
Wie man aus der FINAT-Publikation ersieht, sind den Druckbetrieben selber, neben der ohnehin notwendigen Reduktion des Verbrauchs, die Hände gebunden: Was sie NICHT beeinflussen, aber durch Nachfrage ermitteln können, sind die Einsparungen und genauen Konversionsfaktoren auf Seiten der Zulieferer – das sind insbesondere Lieferanten von Substrat, Druckfarben, Transportdienstleistungen, Platten, dem Maschinenpark und auch Energie- und Wasserversorger, Verbrauchsmaterialhersteller, Abfallverwerter. Was diese Einflussfaktoren betrifft, ist es angesagt, die Lieferanten/Dienstleister zu kontaktieren und nachzufragen, wie sich deren Maßnahmen gestalten.

 Maßnahmen
Es gibt allgemeine Regeln für die Reduktion von Fußabdrücken – in der Literatur sind z.B. Luttropps Regeln zu finden:

  • Reduktion der Nutzung von fossilen Brennstoffen
  • Verbesserung der Energieeffizienz von Gebäuden
  • Kein Verwenden von giftigen Stoffen und, falls doch nötig, geschlossene Kreisläufe für notwendige, aber giftige Stoffe
  • Minimierung von Energie- und Ressourcendurchsatz und -verbrauch in Produktion und Transport
  • Förderung von Reparaturen und Modernisierungen statt Neukauf insbesondere von Infrastruktur
  • Gewichtsreduktion von Produkten ohne Beeinträchtigung der erforderlichen Flexibilität oder funktionalen Prioritäten
  • Verwendung besserer Materialien, Oberflächenbehandlungen oder struktureller Vorkehrungen zum Schutz der Produkte vor Schmutz, Korrosion und Verschleiß
  • Fördern von Aufrüstung, Reparatur und Recycling durch Verwendung weniger, einfacher, recycelter, nicht gemischter Materialien und ggf. ohne Legierungen
  • sortenreines Sammeln von Abfällen

Diese Maßnahmen erfordern Aktivität im Betrieb – auch ohne präzise Beiträge zu Fußabdrücken zu kennen lassen sie sich einleiten und manchmal auch nach Bedeutung gewichten.

Zum Sparen verpflichtet

 Wir gingen oben von einem Szenario aus: Der eigene Kunde will informiert werden, um seinerseits berichten zu können, dass seine Lieferkette aktiv im Bereich der Emissionsreduktion ist. Der Kunde ist zum Teil dazu gesetzlich verpflichtet – will aber auch im Produkt enthaltene Emissionskosten sparen. Die oben genannten Fragen liefern, wenn die Zulieferer antworten, eine Idee davon wie groß die zu erwartenden Einsparungen sind.

„Der eigene Kunde will informiert werden, um seinerseits berichten zu können, dass seine Lieferkette aktiv im Bereich der Emissionsreduktion ist.“
Dr. Michael Has

Um im obigen Rechenbeispiel zu bleiben: wenn die Substrate 43% der Emissionen bedingen und der/die Hersteller planen den Fußabdruck pro Jahr um 5% zu reduzieren, ergibt das auf das Druckprodukt bezogen eine Einsparung von 2.15 % pro Jahr, wenn die Transportkosten 17% des CO2-Fußabdrucks eines Produkts ausmachen und die Transportdienstleister pro Jahr 10% dieser Emissionen einsparen, ergibt das auf das Druckprodukt bezogen eine Einsparung von 1,7% pro Jahr.

Aber wie erwähnt, hat diese Rechnung das Problem, das sie ungenau ist: Wir gingen von vielen Annahmen aus und nicht von betriebsspezifischen, zum Teil noch nicht einmal branchenspezifischen Daten. Der einzelne Drucker kann mit dieser Herangehensweise nur einsteigen und Maßnahmen einleiten. Er kann aber dem eigenen Kunden berichten, dass er aktiv ist und wie er ggf. in kommenden Schritten vorgeht. Er kauft sich also etwas Zeit aber kommt dennoch kaum umhin, wenn er genauer werden will, vermutlich mit einem externen Berater eine genauere Analyse vorzunehmen.

Dr. Michael Has, Partner bei Monopteros (Quelle: Monopteros)

*Dr. Michael Has ist promovierter Physiker. Nach der Promotion war er in der FOGRA für Innovationsforschung und Vorstufentechnik verantwortlich. Bei Océ bzw. Canon bekleidete er Positionen in Forschung und Entwicklung, dem Management und der Strategischen Planung. Dr. Has ist seit 1998 Distinguished Professor an der Universität Grenoble.