Von Duft und Durcheinander

Wie klare Vereinbarungen teure Fehler verhindern

Quelle: Shutterstock

Speziell im Verpackungsdruck werden die Ansprüche der Industrie immer exotischer. Sollte der Karton zu einem Spielzeug in der Vergangenheit vor allen Dingen bunt und auffällig sein, so erwarten die Kunden inzwischen eine besondere Haptik oder einen speziellen Duft. Von Oliver Schaeben*

Es sollte die Revolution bei Verpackungen für Parfum werden. Ein Karton, der nach kurzem Reiben exakt den Duft abgibt, den der Kunde oder die Kundin mit dem darin befindlichen Parfum kauft. Möglich werden sollte dies durch das Beimischen der im Parfum verwendeten Substrate in den Füllstoff für das Papier, das später auf Kartonage kaschiert wird.

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Der Vorteil für den Handel lag klar auf der Hand: es mussten nicht mehr zwingend Probefläschchen mit in die Regale gestellt werden, anhand derer Düfte getestet würden. Die gängige Praxis in den Kaufhäusern und Drogerien hatte gezeigt, dass die Laufkundschaft durchaus nicht zur Kaufentscheidung auf den Flacon des entsprechenden Fläschchens gedrückt hatte, sondern häufig einfach, um anschließend besser zu riechen. Bis zu drei Flaschen Parfüm gingen deshalb in einem durchschnittlichen Kaufhaus pro Woche nur zum „Testen“ an die Kundschaft. Davon ausgehend, dass hier in der Regel fünfzehn bis zwanzig Flaschen pro Duft zum Verkauf vorgehalten werden, entsprach dies einem Ausschuss von bis zu 20% der Ware.

Die riechende Verpackung

Die Idee zu der riechenden Verpackung hatte der Produktmanager eines Faltschachtelherstellers, der neben der Herstellung von Kartonagen für seinen Kunden aus der Kosmetik-Industrie auch das Einpacken der jeweiligen Fläschchen erledigte. Hinzu kamen die Kommissionierung in größere Verpackungseinheiten, die Palettierung und die komplette Logistik bis zur Lieferung in den Einzelhandel.

Dieses Full-Service-Angebot sicherte der Druckerei schon ein Alleinstellungsmerkmal. Die „duftende“ Verpackung wurde als Gebrauchsmuster geschützt und sollte für neue Kunden aus derselben Branche sorgen. Insofern nahm man auch ein ungewöhnlich aufwendiges Verfahren zur Forschung und Entwicklung des „Geruchskartons“ in Kauf, das über Wochen in enger Kooperation mit den Papierherstellern durchgeführt wurde.

Einen ersten Rückschlag erlebte das neue Produkt in Feldtests, als sich das so genannte „Geruchsfeld“ als Flop erwies. Ursprünglich war geplant, dass auf der Verpackung ein bestimmter Bereich mit dem Geruchsstoff versehen wird. Speziell bei der weiblichen Kundschaft stellte sich allerdings schnell heraus, dass diese nicht an einem Karton riechen wollten, sondern auf der eigenen Haut.

Duftstoff übertragen

Also lautete die nächste Herausforderung für die Entwickler, ein Papier so zu präparieren, dass es eine gewisse Mindestmenge Duftstoff z.B. auf die Unterseite des Handgelenks überträgt. Die letzte Herausforderung vor der Marktreife war es dann, die gesamte Umverpackung so zu präparieren, dass eine beliebige Stelle verrieben werden konnte, um Duftstoff zu übertragen.

Über diverse weitere Fehlschläge (die Farbe der Verpackung verblasste oder löste sich mit dem Reiben, der Duft verflüchtigte sich an den benutzen Stellen und ließ sich von dort nicht mehr auftragen etc.) platzte der ursprünglich angestrebte Termin. Der Druckereikunde hätte mit dem neuen Produkt gerne das Weihnachtsgeschäft beliefert, zu diesem Zeitpunkt waren allerdings noch nicht alle Fehler ausgeräumt. Die fertige, selbstriechende und farbstabile Verpackung, die exakt die Beschaffenheit aufwies, die der Kunde verlangt hatte, kam schließlich kurz vor Ostern in die Märkte – und war für die Kosmetik-Hersteller zunächst ein voller Erfolg.

Schaden und Neuproduktion

Doch dann wurde es wärmer. Mit dem Frühling und den ersten Sonnenstrahlen wurde mit einer einzelnen Charge palettenweise Parfüm an den Handel geliefert, dessen Einzelverpackungen völlig aufgeweicht waren und zu einem unschönen Papp-Klumpen zusammenfielen. Schaden: Reklamation, Beteiligung am Rückruf der Ware, Neuproduktion, gesamt 360.000 €.

Problem

Die Beschaffenheitsvereinbarung der Druckerei mit dem Kunden bezog sich auf die Eigenschaften im Zusammenhang mit dem Duft. Die Stapelbarkeit der Einzelkarton war zwar nicht explizit vereinbart, hier sieht der Gesetzgeber aber vor, dass das Produkt für den „allgemeinen Verwendungszweck“ geeignet sein muss – hier also u.a. die Stapelbarkeit.

Lösung

Um die Voraussetzung dieser Eignung zu umgehen, hätte die Druckerei eine negative Beschaffenheitsvereinbarung mit dem Kunden treffen müssen. In diesem Fall: kein gestapelter Transport der Produkte bei Temperaturen über 22° C.

Oliver Schaeben Mediasecur Porträt*Oliver Schaeben ist Geschäftsführer und Impulsgeber der mediasecur Beratungsgesellschaft mbH. Seit über 20 Jahren ist sein Unternehmen auf die Beratung von Druckerei-Betrieben, insbesondere aus dem Etiketten- und Verpackungs-Druck, in Sachen „wirksamer Schutz bei mangel- oder schadhaften Produkten“ spezialisiert. Er ist Autor des Buches “Vorher schlauer sein”. In diesem Buch präsentiert er eine Vielzahl von Tipps rund das Problemfeld Verträge. Weitere Informationen: https://www.etiketten-labels.com/dm-native-advert/hinterher-ist-man-immer-schlauer/