Ökologie & Nachhaltigkeit

Berichterstattung zu Nachhaltigkeitsfragen – aufgeschoben ist nicht aufgehoben!

Natürliche Ressourcen nehmen ab, die Infrastruktur verschlechtert sich, und die Bodenfruchtbarkeit sinkt. Handeln ist daher nötig. Wer zeitnah handelt, kann mit milderen Maßnahmen effektiver gegensteuern. Spätes Reagieren erfordert drastischere Korrekturen – oft zulasten künftiger Regierungen oder Generationen
Natürliche Ressourcen nehmen ab, die Infrastruktur verschlechtert sich, und die Bodenfruchtbarkeit sinkt. Handeln ist daher nötig. Wer zeitnah handelt, kann mit milderen Maßnahmen effektiver gegensteuern. Spätes Reagieren erfordert drastischere Korrekturen – oft zulasten künftiger Regierungen oder Generationen

In den bereits erschienenen Artikeln dieser Serie wurde auch von der Berichtspflicht von größeren Unternehmen im Rahmen der Nichtfinanziellen Berichterstattung (NFR) gesprochen. Die wichtige Rechtliche Rahmenbedingung war die europaweit gültige Corporate Sustainability Reporting Directive CSRD die auch von Deutschland bzw. der rot-grünen Bundesregierung in lokales Recht hätte umgesetzt werden sollen. Das fand jedoch nicht statt – es kam aber anders … Dr. Michael Has berichtet.

Ein kurzer Rückblick – CSRD – Stand Frühjahr 2025

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2019 verabschiedete die EU-Kommission den European Green Deal. Das Ziel des European Green Deals ist es, dass europäische Unternehmen ihre Netto-Emissionen von Treibhausgasen zu reduzieren. Da die Öffentlichkeit immer mehr die Einführung eines einheitlichen ESG-Berichtsstandards befürwortete, veröffentlichte die EU-Kommission im April 2021 einen Vorschlag für eine neue Richtlinie: die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD). Gleichzeitig wurde die Vereinheitlichung der Berichtsstandards zum sogenannten ESRS (European Sustainability and Reporting Standard) in Auftrag gegeben.

Die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) der EU verpflichtet Unternehmen zur Offenlegung von Informationen über ihre Nachhaltigkeitspraktiken. Die Umsetzung dieser Richtlinie in nationales Recht variiert jedoch zwischen den Mitgliedstaaten. Die firmenbezogene soziale Verantwortung (CSR) beschäftigt sich mit dem verantwortlichen Umgang des Unternehmens mit den Bedürfnissen seiner Stakeholder – das sind im Prinzip alle, die von den Aktivitäten des Unternehmens betroffen sein könnten. Man spricht neben der wirtschaftlichen von ethischer, sozialer und umweltbezogener Verantwortung. Das übergeordnete Ziel der sozialen Verantwortung besteht darin, unter Wahrung der Rentabilität des Unternehmens einen immer höheren Lebensstandard für die Menschen innerhalb und außerhalb des Unternehmens zu schaffen.

Pflicht zur Berichterstattung

Um sicherzugehen, dass die entsprechende Verantwortung des Unternehmens nicht lediglich ein Lippenbekenntnis bleibt, wurde eine Pflicht zur Berichterstattung zu diesem Themenbereich eingeführt. Das Ziel der Übung ist natürlich nicht die Berichterstattung um der Berichterstattung Willen. Es ist viel eher die Überlegung, dass ein berichtendes Unternehmen, über Strategien und Verfahren verfügen muss, mit welchen in enger Zusammenarbeit mit Stakeholdern soziale, ökologische, ethische, menschenrechtliche und verbraucherbezogene Belange in der Geschäftstätigkeit quasi genetisch integriert sind. Das Ziel hierbei ist nicht ein Report, sondern die Maximierung der gemeinsamen Wertschöpfung für die Stakeholder sowie die Gesellschaft im Allgemeinen.

Regeln und Verantwortungen

Das Ziel einer verantwortungsvollen Unternehmensführung in diesem Zusammenhang ist damit die Implementierung von Regeln und Verantwortungen zu allen in der unten dargestellten Tabelle genannten Themen, die Festlegung und Nachverfolgung von Maßzahlen zu diesen Parametern.

Die Themenvielfalt, zu der berichtet werden muss, kann durch eine Tabelle illustriert werden:

 

Umwelt Sozial Verantwortungsvolle Unternehmensführung
Treibhausgasemissionen Kinderarbeit Verhaltenskodizes und Unternehmensgrundsätze
Luftverschmutzung Zwangsarbeit Rechenschaftspflicht
Innovationen in umweltfreundliche materielle Produkte und Dienstleistungen Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz Transparenz und Offenlegung
Energieverbrauch und –reduktion Gesundheit und Sicherheit der KundInnen Vielfalt und Struktur des Vorstandes
Abfallmanagement und Reduktion Diskriminierung und Chancengleichheit Bestechung und Korruption
Wassermanagement und –Nutzung sowie Auswirkungen Lieferkettenmanagement Einbeziehung von Stakeholdern
Abhängigkeit und Schutz der Ökosysteme sowie der biologischen Vielfalt Schulung und Ausbildung der Mitarbeitenden Rechte der Stakeholder
  Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern Unabhängigkeit des Verwaltungsrates
    Kontrollmechanismen im Unternehmen
    Vergütung von Führungskräften
    Einhaltung von gesetzlichen Richtlinien

Abbildung: Berichtskriterien nach ESRS

 

Stand der Gesetzgebung in Deutschland

In Deutschland liegt seit dem 23. Juli 2024 ein Regierungsentwurf zur Umsetzung der CSRD in nationales Recht vor. Deutschland war verpflichtet, die CSRD bis zum 31. Juli 2024 in nationales Recht umzusetzen. Da dies nicht fristgerecht erfolgte, leitete die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland ein. Der Regierungsentwurf wurde bis Jahresende 2024 nicht im Bundestag beraten. Dies bedeutet, dass eigentlich berichtspflichtige Unternehmen für das Jahr 2024 nicht nach CSRD berichten müssen, können dies jedoch freiwillig tun. Andere Länder der EU sind weniger zögerlich beziehungsweise sahen die Probleme, die die deutsche Wirtschaft hat nicht in dem Umfang: Frankreich setzte die Richtlinie am 6. Dezember 2023 als erstes europäisches Land in nationales Recht um. Weitere Länder wie Dänemark, Irland, Rumänien, die Slowakei, Schweden und Tschechien haben die Umsetzung ebenfalls vollzogen.

Die Europäische Kommission erwägt derzeit, bestimmte Nachhaltigkeitsvorschriften wie die CSRD zu überarbeiten, um regulatorische Belastungen für Unternehmen zu reduzieren, d.h um die Balance zwischen Nachhaltigkeitszielen und wirtschaftlichen Herausforderungen zu wahren. Diese möglichen Änderungen haben Bedenken hinsichtlich der Verpflichtung der EU zu ihren Green-Deal-Zielen ausgelöst.

Konsequenzen

Die Konsequenzen dieser Rechtslage sind komplex:
Bereits in der Vergangenheit war klar, dass die heute gültigen Bestimmungen lediglich größere Betriebe zwingen, Nichtfinanzielle Berichterstattung zu einzuführen. Als Faustregel gilt aber, dass bei dinglichen Produkten etwa 85% des nachhaltigkeitsbezogenen Impacts des Produkts in der Lieferkette zu suchen sind, nicht im Betrieb selber. Daraus ergibt sich in der Konsequenz, dass, wie in der Vergangenheit und sobald ein Unternehmen in einer geschäftlichen Beziehung zu einem berichtspflichtigen Betrieb steht (und der kann auch im EU-Ausland sein), damit zu rechnen ist, dass der berichtspflichtige Geschäftspartner, vom eigentlich nicht berichtspflichtigen Unternehmen Erklärungen und Daten erbitten oder einfordern wird. Dies kann größenabhängig gelten oder auch, wenn ein Betrieb im internationalen Markt tätig ist, auch in der Kooperation mit den internationalen Geschäftspartnern.

Damit gilt wie in der Vergangenheit …: Es hilft sich als Unternehmen vorzubereiten, wenn man auf stabile Geschäftsbeziehung aus ist. Es kann jederzeit sein, dass die entsprechenden Informationen eingefordert werden – mit den zugehörigen Sparzielen. Diese Auskünfte müssen aber fundiert und belastbar sein.

Grundsätzlich ist der ganze Vorgang mehr als irritierend:

Die natürlichen Reserven aus mineralischen und fossilen Rohstoffen schwinden, die Infrastruktur wird tendenziell schlechter und die Böden weniger fruchtbar. Es ist allerdings auch bekannt, dass von den neun bekannten „planetary boundary conditions“, also den Parametern, zu denen Fußabdrucksgrenzen bekannt sind, sechs bereits überschritten sind.

Wer frühzeitig reagiert kann mit moderateren Maßnahmen sein Ziel einfacher erreichen als wenn zu spät reagiert wird – dann werden heftigere Kurskorrekturen nötig, aber eben von einer nachfolgenden Regierung oder Generation.

Es ist offensichtlich, dass die derzeitige Gesetzgebung für kleinere Betriebe aufgrund des Verwaltungs- und Erhebungsaufwands kaum zu bewältigen ist, andere Regelungen wären möglich gewesen.

Was da von der, gemessen am Bruttoinlandsprodukt viertgrößten Nation der Welt abgeliefert wurde, war keine Leistung, die auf Langfristigkeit ausgelegt oder gar Ausdruck einer soliden Vision für eine ökologische Wende in einem existierenden Wirtschaftssystem war.