Branchen-Initiative stemmt sich gegen Flut kundenseitiger Verträge
von Redaktion Etiketten-Labels,
Besonders beim Umgang mit kundenseitigen Verträgen, wie Qualitätssicherungsvereinbarungen oder Allgemeinen Einkaufsbedingungen, wird in der Druckindustrie viel Aufwand betrieben. Im Zweifel entstehen sogar externe Kosten, weil juristischer Rat hinzugezogen werden muss. Was kaum bekannt ist: der überwiegende Teil dieser Verträge ist identisch. Christoph Roderig* beleuchtet die aktuelle Situation.
Es kann ein ganz normaler Dienstag-Morgen um 8:45 Uhr sein, als in Karlsruhe Herr Kunze von Müller-Druck sein Telefon umleitet, um in Ruhe die Qualitätssicherungsvereinbarung eines Kunden zu prüfen. Gleichzeitig sitzt Herr Frisch von Frisch-Etikettendruck in Bochum aus demselben Grund isoliert im Home-Office. Und auch Frau Meier von Labeldruck-Matthies in Flensburg hat einen Termin verschoben, weil sie ebenfalls am Tag zuvor eine Qualitätssicherungsvereinbarung hereinbekommen hat. Was alle drei, die keine Beziehung zueinander pflegen, nicht ahnen, ist es, dass sie gerade dasselbe Dokument vorliegen haben. Wohlgemerkt – nicht das Gleiche: es handelt sich um dieselbe PDF-Datei. Ein Vorgang, der sich – im Übrigen in einer ganzen Reihe fertigender Betriebe auch jenseits der Druckindustrie – täglich vielfach wiederholt.
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Experte für Haftungsrecht
Der Geschäftsführer der mediasecur Beratungsgesellschaft Oliver Schaeben ist Experte für Haftungsrecht im grafischen Gewerbe. Er erklärt das Phänomen – und wie es zu einer Lösung für die Druckindustrie kam, mit der in diesem Zusammenhang schnell Zeit und Geld gespart wird. „Insbesondere die großen Konzerne im Lebensmittel-, Pharma- oder Automotive-Bereich beauftragen mehr als nur eine Druckerei mit der Herstellung ihrer benötigten Materialien“, beschreibt Schaeben die Situation. „Naturgemäß kennen sich die beteiligten Verpackungs-, Etiketten- und/oder Akzidenz-Drucker untereinander nicht. Selbstverständlich arbeiten sie aber alle entlang derselben kundenseitigen Verträge, die diese Konzerne von ihrer Zulieferindustrie unterschrieben haben wollen.“
Aufgefallen ist dies dem Frankfurter Branchen-Experten durch einen Service, den er seinen Kunden bereits seit den 90er-Jahren bietet. „Wir hatten die Situation, dass im Falle eines Produkthaftpflichtschadens die Deckung desselben abgelehnt wurde. Die Versicherung berief sich hierbei auf eine Klausel in einem kundenseitigen Vertrag, den die Druckerei unterschrieben hatte. Dort fand sich eine Formulierung, die den Versicherungsschutz aushebelte. Das hat uns natürlich erheblich sensibilisiert.“ Schaeben machte fortan seine Kunden auf die Gefahr solcher Klauseln aufmerksam und bot ihnen an, kundenseitige Verträge im Vorfeld durch ein Netzwerk von verschiedenen Rechtsanwälten, die durch mediasecur für die Druckindustrie qualifiziert wurden, prüfen zu lassen.
Nicht nur ähnlich, sondern identisch
„Schon nach wenigen Monaten fiel es unseren Leuten auf, dass eine ganze Reihe von Verträgen nicht nur sehr ähnlich, sondern teilweise sogar identisch waren.“ Studentische Hilfskräfte waren es schließlich, die für die mediasecur damit begannen, diese Verträge in einer Datenbank zu sammeln und elektronisch abzugleichen. Immer schneller konnten auf diesem Weg einzelne deckungsschädliche Klauseln identifiziert und eliminiert werden. „Es gibt ein paar Standards in den Formulierungen, die nicht vorkommen dürfen“, erklärt Schaeben. „So sind zum Beispiel sämtliche Klauseln, in denen es um Garantien geht, durch Worte wie Zusicherungen oder Ähnliches zu ersetzen – denn Garantien sind grundsätzlich nicht versichert!“
Nachdem die Datenbank immer komplexer wurde, ging mediasecur den nächsten Schritt und ermöglichte es seinen Kunden, direkt selbst einen Zugang zu diesen Informationen zu nutzen. Gleichzeitig wurden diese Druckereien aufgefordert, Vertragsarten, die sich noch nicht in dem nun eigens eingerichteten Online-Portal fanden, direkt zur Prüfung an mediasecur weiterzuleiten, damit sämtliche Klauseln entsprechend geprüft und ggfls. korrigiert in das bestehende Volumen übernommen werden können. „Die Beobachtung, wie komplex das Ganze Stück für Stück wurde, hat dann zur Gründung der Initiative Safety Sign geführt“, so Schaeben.
*Christoph Roderig, Jahrgang 1969, ist gelernter Schriftsetzer. Als kreativer Kopf der Münsteraner Agentur „Oder anders GmbH“ leitet er dort den Geschäftsbereich „Profit Print“. Hier werden Druckereien in den Bereichen Administration, Marketing, Vertrieb und Technik unterstützt. Mit seinen Fachvorträgen, wie „Der Wert der gedruckten Information – Internet war gestern“ überzeugt er auch die Kunden der grafischen Industrie von eben jenem Mehrwert im Vergleich zu Online-Marketing. [5331]
Mehr zum Thema und zu mediasecur erfahren sie in unserer aktuellen Ausgabe 3/2018 der Etiketten-Labels, die Sie auch zum Download in unserem Shop erhalten können.