Klimawandel – was können auch kleine Betriebe tun?
von Redaktion Etiketten-Labels,
Ein Interview zum Thema Nachhaltigkeit mit Dr. Michael Has, der am Institut polytechnique de Grenoble unterrichtet.
CO2-Fußabdruck, schön rechnen, ökologischer Ablasshandel und vieles andere sind typische Begriffe, die im Zusammenhang mit den Bemühungen um die Umwelt gerne genannt werden. Während die Katastrophen in vielen Bereichen der Erde zunehmen und mittlerweile sogar erwartet wird, dass der für das Klima der Erde so wichtige Golfstrom zum Erliegen kommt, wird oftmals nicht gehandelt, sondern diskutiert. Viel zu lange Umweltziele, begleitet durch halbherzige Maßnahmen belasten unsere Umwelt weiter.
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Produzierende Unternehmen aller Bereiche können die Bemühungen zur Erhaltung der Umwelt und Rettung des Weltklimas jedoch unterstützen. Auch der Mittelstand, beispielsweise der Druckindustrie, gehört dazu. Etiketten-Labels sprach dazu mit Dr. Michael Has,
Wie geht es Ihnen als jemand, der bereits seit Jahren zum Thema Nachhaltigkeit unterrichtet, angesichts der Wetterkatastrophen dieses Jahres?
Dr. Michael Has: Privat ausgesprochen angestrengt – zuhause ein schwerer Hagelschaden an Dach und Fenstern und in der Folge Wasserschäden im Haus. Es ist natürlich etwas anderes, wenn man als Dozent Methoden zur Erfassung und Verringerung der Klimafolgen unterrichtet oder wenn man zuhause den Hagel vom Dach schaufelt und Löcher befürchtet. Grundsätzlich verweist aber alles auf die gleiche Problematik – jede/r muss seinen Beitrag leisten, um ein weiteres Eskalieren der Klimakatastrophe zu verhindern und jeder zahlt am Ende eine Rechnung.
Dazu gibt es ja verschiedene Ansätze – was schlagen Sie vor?
Dr. Has: Das mit den verschiedenen Ansätzen trifft zu. Man kann sich auf den Standpunkt stellen, „die Großen müssen anfangen“ – aber wohin soll das führen? Die Haushalte verweisen auf die Industrie, die Industrie auf das Transportwesen, die Landwirtschaft auf die Energieerzeuger, Entwicklungsländer verweisen auf die großen Industrieländer, und alle verweisen auf China und die USA. Ein gutes Rezept, um sich in Diskussionen zu verwickeln und letztlich nichts tun zu müssen. Ich sehe die Situation sehr einfach: wenn wir Klimaziele erreichen wollen, müssen wir Emissionen reduzieren: Wenn wir das ernst nehmen, bedeutet das pro Jahr etwa 3-5% weniger CO2 in die Atmosphäre. Das gilt für alle!
Das sagt sich leicht …
Dr. Has: Natürlich – und im Kleingedruckten steht, dass man wissen muss, was man heute emittiert und welche Risiken mit diesen Emissionen einhergehen. Der erste Schritt ist also das Erfassen der Emissionen. Zudem, auch wenn der Gesetzgeber das noch nicht fordert, ist es unabdingbar, die Materialströme, die mit dem professionellen und auch dem privaten Konsum einhergehen, zu verstehen. Aus Beidem, Energie- und Materialverbrauch, müssen Maßnahmen abgeleitet werden.
… und das kostet Geld.
Dr. Has: … ja, Risiken und Emissionen kosten aber auch Geld. Offensichtlich ist das Risiko von einem Gewitter heimgesucht zu werden statistisch – man kann da wenig tun, um sich zu schützen. Kosten entstehen aber auch über die Emissionsabgaben, die sich von ihrem Startpunkt von weniger als 20 € pro Tonne CO2 vor wenigen Jahren deutlich verteuert haben. Vor diesen Kosten kann man sich durchaus schützen, in dem man als Betrieb Emissionen im eigenen Verbrauch und den Lieferketten reduziert.
Wie hoch sind die Kosten?
Dr. Has: Derzeit liegen die Kosten bei etwa 50€ pro Tonne CO2 eq. Das Potsdam Institut für Klimaforschung hält ebenso wie das Bundesministerium für Entwicklung CO2-Preise von 180€ pro Tonne CO2 eq. für eher angemessen. In den letzten Tagen werden auch höhere Werte besprochen. Diese Preise drücken auf die Einkaufspreise von Industrie und Verbrauchern.
Aber es gibt auch versteckte Kosten, die über die Risiken und mit Ihnen zusammenhängende Kreditvergabekosten zu Stande kommen. Auch wenn viele Banken es noch nicht realisiert haben – mit dem CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz (CSR-RUG) sind Banken gehalten für Großbetriebe bei Kreditvergaben oder dem Verkauf von Bankprodukten entsprechende Kenngrößen zu erfragen. Betriebe, die kleiner sind werden der Reportingpflicht erst später unterliegen. Das mag viele Betriebe der traditionell mittelständischen Druckindustrie in Sicherheit wiegen – ein trügerischer Gedanke, denn wenn diese Betriebe signifikanter Teil einer Lieferkette eines Großunternehmens sind muss dieses Unternehmen seinen Zulieferer fragen, wie hoch dessen mit der Lieferung zusammenhängende Emissionen sind.
Und das heisst im Detail … ?
Dr. Has: …dass erstens mittelfristig kein Unternehmen ernsthaft glauben kann, ohne eine Erfassung der eigenen Emissionen gemessen in t CO2 Äquivalenten zurecht zu kommen und zweitens praktisch jedes Unternehmen eine Strategie haben muss, wie es CO2-Emissionen mit im Schnitt 5% pro Jahr reduziert. Anders wird das Emissionsziel von 0 t CO2 eq. d.h. also einem CO2-Fußabdruck von 0 nicht zu erreichen sein.
Obwohl nicht direkt gefordert spielt hier auch die Materialstrategie eine Rolle: wie will ein Unternehmen vorgehen um die Materialien, die es nutzt, möglichst effizient d.h. verlustfrei einzusetzen. Das bedeutet Wiedernutzung, Recycling …
Wie erfährt ein Unternehmen seinen CO2-Fußabdruck?
Dr. Has: Das ist eine sehr entscheidende Frage. Seriös nutzt man die Fragenliste aus dem Green House Gas Protokoll und beantwortet alle Fragen nach bestem Wissen und Gewissen. Das ist viel Arbeit und erfordert Sachkunde. Man kann auch Experten an Hochschulen oder Consultingunternehmen zu Rate ziehen. Es ist sinnvoll, mit allgemeinen, nicht mit branchentypischen Fragelisten und zudem transparent unter Nutzung klar formulierter Annahmen Emissionen zu ermitteln und die abgeschätzten Werte kenntlich zu machen.
Man muss aber aufpassen: Weniger sinnvoll, dennoch aber gängige Praxis ist es, mit den so ermittelten Emissionen Beteiligungen an Projekten mit denen Emissionen gebunden werden (etwa Aufforstung von Wäldern) zu kaufen und den Fußabdruck zu 0 werden zu lassen. Diese Kompensationsgeschäfte sind eine Art Ablasshandel und sollten nur im zeitlich eng begrenzten Ausnahmefall genutzt werden, nicht aber als strategisches Mittel um Emissionen schön zu rechnen und schlimmstenfalls nichts zu tun.
Also sollten Betriebe, wenn nötig mit seriösen Experten, was genau tun?
Dr. Has: Sowohl die Emissionen, als auch die Materialverbräuche und -pfade ermitteln, Risiken bankengerecht beschreiben und aus den Resultaten Strategien und Handlungsvorgaben für die Reduktion ableiten sowie ein jährliches Berichtswesen implementieren. Das geht insbesondere mit Hilfe von Experten auch für Kleinbetriebe in einer interdisziplinären Herangehensweise, die sich keinen kostspieligen Apparat und fest angestellte Spezialisten zum Thema leisten können.
Dr. Michael Has studierte nach der Berufsausbildung Physik. Nach der Promotion war er in der FOGRA für die Bereiche Innovationsforschung und Vorstufentechnik verantwortlich. Bei Océ bzw. Canon bekleidete er verschiedene Positionen in Forschung und Entwicklung, dem Management und der Strategischen Planung. Dr. Has ist seit 1998 Distinguished Professor an der Universität Grenoble mit den Schwerpunkten Neue Technologien und Nachhaltigkeit.