Papier und Klima, sie gehören einfach zusammen. Stimmt das Klima nicht, gibt es in der Regel Probleme im Druck und in der Weiterverarbeitung. Temperatur und die Luftfeuchte müssen einfach stimmen. Daher gilt es einige Regeln und grundsätzliche Bedingungen zu beachten. Dr. Renke Wilken erläutert die Grundlage und Hintergründe.
In der Papiertechnik wird der Begriff Klima durch zwei Parameter definiert, nämlich durch die Lufttemperatur in °C und der Luftfeuchtigkeit in gWasser/m³Luft. Zwischen beiden Parametern gibt es einen nichtlinearen Zusammenhang (vgl. Bild 1). Aus Bild 1 lässt sich ablesen:
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Die Luft kann je nach Temperatur eine gewisse maximale Wassermenge aufnehmen. Die nichtlineare Grenzlinie, über die hinaus kein Wasser aufgenommen werden kann, heißt Taupunktkurve.
Wenn Luft einer bestimmten Temperatur weniger Wasser enthält als maximal möglich, wird das durch die relative Luftfeuchte zum Ausdruck gebracht. 50 % relative Luftfeuchte heißt also, dass die Luft nur halb so viel Wasser wie maximal möglich enthält. 100 % relative Luftfeuchte kennzeichnet den Taupunkt. Der jeweils zugehörige Wassergehalt der Luft in gWasser/m³Luft hängt von der Temperatur ab.
Grundsätzlich ist die Angabe einer relativen Luftfeuchte nur dann sinnvoll, wenn die Lufttemperatur, auf die sie sich bezieht, ebenfalls angegeben wird.
Der Graph in Bild 1 lässt die Analyse zahlreicher Spezialfälle zu. Wenn Luft z.B. mit einer Temperatur von 25°C und einer relativen Luftfeuchte von 50% abgekühlt wird, dann wird bei etwa 12°C der Taupunkt erreicht. An einer Fläche mit dieser Temperatur würde das Wasser aus der Luft kondensieren, es würde sich Tau (kondensierte Wassertröpfchen) bilden. Umgekehrt sinkt die relative Luftfeuchte drastisch, wenn Luft mit einer Temperatur 5°C auf 25°C ohne Luftbefeuchtung aufgewärmt wird.
Das Normklima
Papier ist ein hygroskopischer Werkstoff, dessen Feuchtegehalt[2] von den klimatischen Bedingungen der Umgebungsluft abhängt. Der Feuchtegehalt ist also selbst eine der feuchteabhängigen Papiereigenschaften. Zahlreiche weitere zählen dazu, angefangen von der Dimension eines Papierblattes, das im feuchten Klima größer und im trockenen Klima kleiner wird (Feuchtdehnung und Trockenschrumpfung) bis zur Biegesteifigkeit, der Festigkeit, der Dehnbarkeit, der Falzbarkeit und sogar der Neigung zur Staubbildung. Mit den genannten Eigenschaften ist die Aufzählung feuchteabhängige Eigenschaften bei weitem noch nicht vollständig. Es wird aber deutlich, dass die Messung von Papiereigenschaften nur dann sinnvoll ist, wenn sie in einem definierten Umgebungsklima stattfindet, und dass Messergebnisse nur dann miteinander verglichen werden dürfen, wenn sie in dem definierten Klima gewonnen worden waren.
International hat man sich gemäß ISO 187[3] auf ein spezielles Klima, nämlich das für unsere Breiten vorgesehene Vorzugsklima (23±1)°C/(50±2) % relative Luftfeuchte als das Standard-Prüfklima für die Messung von Papiereigenschaften verständigt. Das Vorzugsklima wird einfach mit „Normklima“ bezeichnet.
In der Regel werden Papiere so produziert, dass sie im Gleichgewicht mit dem Normklima sind. Dieses sogenannte Gleichgewichtsklima ist das Klima, in dem Papier weder aus der Umgebungsluft Feuchte aufnehmen noch Feuchte abgeben.
„In der Regel werden Papiere so produziert, dass sie im Gleichgewicht mit dem Normklima sind.“
Das bedeutet aber nicht, dass der Feuchtegehalt der Papiere dann stets der gleiche ist, denn der hängt u.a. von der Art der Faserstoffe, den verwendeten Füllstoffen, deren Menge und vor allem von der vorausgegangenen Feuchtehistorie des Papiers ab. Letzteres bedeutet, dass es einen Unterschied von etwa 1 %-Punkt im Feuchtegehalt des Papiers ausmacht, wenn es aus dem zuvor feuchteren Zustand oder aus dem zuvor trockeneren Zustand auf das Normklima konditioniert wird. Um mögliche Fehlerquellen in der Papierprüfung zu vermeiden, sieht die ISO 187 deshalb zunächst die Trocknung der zu prüfenden Papiere für 24 h bei 40°C und 20 – 35 % relativer Luftfeuchte vor, bevor es dann auf das Normklima konditioniert wird, also bis zum Erreichen des Gleichgewichtszustands – in der Regel 24 h – in diesem gelagert wird.
Klimatisierung in der Praxis
Vorzugsweise sollten natürlich alle Räume, in denen Papier verarbeitet wird, auf 23°C und 50 % relative Luftfeuchte, also auf das Normklima, klimatisiert werden. Nur so können stets gleiche Verarbeitungseigenschaften der Papiere gewährleistet werden.
Nun kann man natürlich unter industriellen Rahmenbedingungen nicht die gleichen Maßstäbe bezüglich der Klimatisierung anlegen, wie man es bei einem Papierprüflabor selbstverständlich tun muss. Schon allein hinsichtlich der Genauigkeit von Temperatur und relativer Luftfeuchte wird man Zugeständnisse machen müssen. Es gibt zudem Ansprüchen von Verarbeitungsprozessen, die berücksichtigt werden müssen. Beim Bedrucken von Papier mit wässrigen Farben oder im Nass-Offset sollte es etwas trockener sein als das Normklima vorgibt, Prozesse wie Rillen und Falzen funktionieren oft bei etwas feuchteren Papieren besser.
Wie genau muss das Normklima eingehalten werden bzw. wie groß dürfen Abweichungen davon sein? Klare Grenzen gibt es natürlich nicht, es gibt aber Hinweise aus der Praxis, die in Empfehlungen und Spezifikationen ihren Niederschlag gefunden haben.
Z.B. wird in der FFPI-Spezifikation FFPI-SP 08/2018 „Pharmakarton“[4] hinsichtlich der Kartonfeuchte festgelegt, dass für flächenbezogene Massen < 400 g/m² die relative Gleichgewichtsfeuchte des Kartons bei 23°C im Bereich von 45 bis 60 % liegen soll. Je nach der Zusammensetzung des Papiers entspricht dem ein spezifischer Feuchtebereich von vielleicht 8,5 bis 10,5 % entsprechen. In der Praxis kommt es also nicht darauf an, Normklimabedingungen exakt einzuhalten, sondern es genügt, wenn ein gewisses Luftfeuchtefenster nicht verlassen wird, damit der Feuchtegehalt des Papiers nicht zu stark schwankt und mit dem Feuchtegehalt einhergehende Schwankungen der Verarbeitungseigenschaften in Grenzen bleiben.
„Da die Luft in Verarbeitungsräume in aller Regel zu trocken ist, ist die wichtigste Maßnahme der Klimatisierung die Luftbefeuchtung.“
Da die Luft in Verarbeitungsräume in aller Regel zu trocken ist, ist die wichtigste Maßnahme der Klimatisierung die Luftbefeuchtung. Es ist eine ziemliche Herausforderung, die Luftbefeuchtung so zu gestalten, dass überall weitgehend gleiche relative Luftfeuchten herrschen. Im Sommerhalbjahr ist in unseren Breiten die Lufttemperatur bis auf wenige sehr heiße Sommerwochen Bereich der vom Normklima geforderten 23°C. Im Winterhalbjahr sieht das aber ganz anders aus. Die kalte Außenluft muss auf wesentlich angenehmere etwa 23°C aufgeheizt werden. Angenommen, die Außenluft hat eine Temperatur von 0°C und eine relative Luftfeuchte von 90 %, dann kann man Bild 1 entnehmen, dass sie etwa 4,5 g Wasser pro m³ Luft beladen ist. Durch das Aufheizen auf 23°C sinkt die relative Luftfeuchte auf etwa 20 %, wie wiederum aus Bild 1 abgelesen werden kann. Es zeigt sich eindrücklich, dass gerade im Winterhalbjahr die korrekte Luftbefeuchtung unverzichtbar ist. Immerhin müssten mehr als 6 g Wasser pro m³ Luft verdampft werden, um auf eine relative Luftfeuchte von 50 % bei 23°C zu kommen.
Lagerung und Verarbeitung von Papier und Karton
Wie bereits ausgeführt, ist die korrekte Klimatisierung der Räume, in den Papier oder Karton verarbeitet werden, eine zwingende Voraussetzung für störungsfrei ablaufende Verarbeitungsprozesse. Nun sind Papier oder Karton nicht einfach da, sondern sie werden angeliefert und/oder zwischengelagert, manchmal auch in Hochregallagern, mit denen es eine besondere Bewandtnis haben kann. Es ist keineswegs gewiss, dass die angelieferten Produkte mit dem Normklima im Gleichgewicht sind, vielmehr sind sie im Winterhalbjahr oft vollständig ausgekühlt und im Sommerhalbjahr viel wärmer als 23°C. Was tun?
Die Grundregeln lauten:
Papier und Karton gleich ob Stapel, Ries oder Rolle müssen klimadicht verpackt angeliefert und gelagert werden, damit der ursprüngliche Feuchtegehalt konserviert und keine Feuchte unkontrolliert an die Umgebungsluft abgegeben oder aus dieser aufgenommen werden kann.
Die Verpackung darf erst dann entfernt werden, wenn die Temperatur des verpackten Materials mit der Temperatur im Verarbeitungsraum übereistimmt. Ein wenig großzügig darf man hier sein: Wenn die Temperaturdifferenz zwischen dem verpackten Material und der Umgebungsluft weniger als 10°C beträgt, darf bereits ausgepackt werden ohne größere Beeinträchtigungen der Verarbeitungsprozesse befürchten zu müssen. Je kleiner die Temperaturdifferenz, desto besser.
Was geschieht, wenn die Grundregel 2 unbeachtet bleibt?
Angenommen, die Verarbeitungsräume sind ordnungsgemäß auf etwa 23°C/50 % relative Luftfeuchte klimatisiert. Es ist Winter und die Außentemperatur beträgt 0°C. Angeliefert wird ein Stapel Papier, sorgfältig verpackt und bis in den Kern auf Außentemperatur abgekühlt. Da wie immer Eile besteht, wird das Papier kaum in den Verarbeitungsräumen angekommen ausgepackt. Es geschieht folgendes: Das Papier beginnt an den Rändern wellig zu werden und zwar so stark, dass an Verarbeiten nicht zu mehr denken ist. Woran liegt das? Bild 1 sagt, dass der zum Raumklima 23°C/50 % relative Luftfeuchte gehörende Taupunkt bei etwa 10°C liegt. Die Stapeltemperatur war mit 0°C deutlich geringer als der Taupunkt. Folge: Es kondensiert reichlich Wasser aus der warmen Umgebungsluft an den kalten Flächen des Stapels, es beginnt massive Feuchtdehnung, wodurch die Bogenränder wellig werden und sich die oberen Bogen wölben. Wäre Grundregel 2 beachtet worden, wäre die Verpackung erst nach dem Überschreiten des Taupunktes bei 23°C – 10°C = 13°C entfernt worden, es hätte keine heftige Kondensation von Wasser gegeben und das Papier wäre weitgehend intakt geblieben.
Im Sommerhalbjahr ist mit der Unterschreitung des Taupunkts wesentlich seltener zu rechnen. Aber die Überschreitung der von Grundregel 2 vorgegebene Temperaturobergrenze ist sehr gut möglich. Z.B. können im geschlossenen LKW bei längerer Sonneneinstrahlung durchaus Temperaturen von 50°C und mehr erreicht werden. Das verpackte Papier kann also Temperaturen von 23°C + 10°C = 33°C und mehr aufweisen. Wenn die Verpackung entfernt wird solange das Papier noch wärmer als 33°C ist, dann kommt es zur Feuchteabgabe aus dem warmen Papier in die kühlere Umgebungsluft, das Papier trocknet und schrumpft an den Außenseiten und die oberen Bogen verwölben sich. Auch dadurch können Störungen in Verarbeitungsprozessen verursacht werden, die immer kleiner ausfallen, je geringer die Temperaturdifferenz zwischen Papier und Umgebungsluft ist.
„Vorsicht auch beim Einlagern von Papier oder Karton in unklimatisierten Hochregallagern.“
Vorsicht auch beim Einlagern von Papier oder Karton in unklimatisierten Hochregallagern. Durch die Sonneneinstrahlung kann die Luft im oberen Bereich sehr warm werden. Weil feuchte Luft leichter als trockene ist, wird es dort auch noch sehr feucht. Unverpackt eingelagerte Produkte können durch die feucht-warme Luft bis zur Unbrauchbarkeit beschädigt werden.
Fazit
Viele Eigenschaften von Papier hängen von dessen Feuchtegehalt ab. Damit sind auch die Verarbeitungseigenschaften von Papier Feuchteabhängig. Da Papier ein hygroskopischer Werkstoff ist, stellt sich je nach den klimatischen Umgebungsbedingungen ein bestimmter spezifischer Feuchtegehalt ein. Daraus folgt, dass die prozesssichere Verarbeitung von Papier die Klimatisierung der Luft in den Verarbeitungsräumen zwingend erforderlich macht. Zielgröße für die Klimatisierung ist das Normklima 23°C und 50 % relative Feuchte.
Um zu verhindern, dass das Papier während des Transports zum Verarbeiter übermäßig Feuchte abgibt oder aufnimmt, sollte es stets sorgfältig klimadicht verpackt angeliefert werden. Due Verpackung darf erst entfernt werden, wenn das Papier wenigstens die gleiche Temperatur wie die Umgebungsluft aufweist. Je größer die Temperaturdifferenz zwischen Papier und Umgebungsluft ist, desto größer sind die zu erwartenden Beeinträchtigungen der Verarbeitungsprozesse. Erfahrungsgemäß sind diese aber hinreichend klein, wenn die Temperaturdifferenz kleiner als 10°C ist. [7726]
[1] Der Feuchtegehalt FG in %, wird errechnet aus . Darin sind mf = Masse des Papiers nach Konditionierung im Normklima und mt = Masse nach Trocknung bei 105°C bis zur Gewichtskonstanz. Prüfnorm: ISO 287 (11/2017): Papier und Pappe – Bestimmung des Feuchtegehaltes eines Lieferpostens – Wärmeschrankverfahren
[2] Der Feuchtegehalt FG in %, wird errechnet aus . Darin sind mf = Masse des Papiers nach Konditionierung im Normklima und mt = Masse nach Trocknung bei 105°C bis zur Gewichtskonstanz. Prüfnorm: ISO 287 (11/2017): Papier und Pappe – Bestimmung des Feuchtegehaltes eines Lieferpostens – Wärmeschrankverfahren
[3] ISO 187 (12/1990): Papier, Pappe und Halbstoff; Normalklima zur Probenvorbehandlung und Prüfung und Verfahren zur Überwachung des Klimas zur Vorbehandlung der Proben
ist seit 2010 freiberuflicher Gutachter und Berater im Gebiet der Papierverarbeitungstechnik. Nach dem Studium der Physik begann er seine berufliche Laufbahn bei der PTS München. Er leitete dort den Bereich Papierverarbeitungstechnik mit Verantwortung für Forschung, Beratung, Gutachten und Weiterbildung auf diesem Gebiet. Über 80 Fachaufsätze und Fachbuchbeiträge kennzeichnen den Erfolg seiner Arbeit. Über viele Jahre hatte er Lehraufträge im Fach Papierverarbeitung an der TU Dresden, TU Darmstadt und bis heute an der Hochschule München inne. Mit Erreichen der Altersgrenze verließ er 2010 die PTS. Dr. Wilken ist assoziiertes Mitglied des VskE